Braucht es das wirklich?

Wie ist der Trend zur über-unpersönlichen Sprache zu erklären?

Seit einiger Zeit springt mich in meiner Zeitung, die sich früher als Wahrerin guter Sprache profiliert hatte, immer öfter eine Formulierung an, die ich in süddeutschen Dialekten verorten würde: Da „braucht es“ mehr staatliche Unterstützung, „es braucht“ mehr Empathie, doch … braucht es das wirklich? Wer oder was ist dieses ominöse Es eigentlich?

Nun leben wir in sprachpolizeilich heiklen Zeiten, so dass die Hochkonjunktur von „Es braucht…“ eine einfache Erklärung haben mag. In der immer öfter durchgegenderten Sprache (sprich: durch-ge-dschen-der-ten) herrscht eine andere als die klassisch hochdeutsche Wortwahl – offenkundig sogar in meinem Qualitätsblatt. Das kleine Wörtchen „man“, das unspezifisch ein Subjekt markiert, ist wohl durch seine klangliche Nähe zum „Mann“ unter Generalverdacht gekommen. Man braucht heute nicht mehr, sondern Es braucht. Wer das „man“ noch verwendet, kommt womöglich in den Ruf, ein Ewiggestriger zu sein. In Zeiten von „Mansplaining“ (= der unerwünschten Eigenart vieler Vertreter des männlichen Menschengeschlechts, anderen, insbesondere den Frauen, die Welt erklären zu wollen, selbst wenn diese ihnen an formaler und faktischer Bildung haushoch überlegen sind, sogar selbst wenn die betreffende Frau im fraglichen Themengebiet diplomiert, promoviert, habilitiert, mithin ausgewiesene Expertin ist), also beim wachsenden Bewusstsein vieler aufgeschlossener Zeitgenossen gegenüber habituellem Problemverhalten Einzelner, will Mann da nicht anecken.

Doch braucht es das wirklich? Diese verdruckste Vermeidung des bösen „man“-Wortes auch von Sprechern oder Schreibern, die ansonsten jeder Dialektanwendung unverdächtig sind, heilt nicht die inhärente Schlechterstellung von Frauen in unserer nun einmal patriarchal dominierten Gesellschaft. Es stimmt, man sollte darauf achten, die eigene Wortwahl nicht frauenfeindlich zu gestalten: Also bitte nicht von „Schlampen“ reden, wenn man männliche Schlampen verniedlichend „Messie“ nennt.

Doch gehört das kleine „man“ wirklich auf den Scheiterhaufen der Sprachinquisitoren? Ich sage: Nein! Wer es wirklich ernst meint mit der man-Vermeidung, der lerne von einem weltweit erfolgreichen Einrichtungshaus („Alles für dein Zuhause“) und duze alle und jede, oder er übernehme den Kunstgriff des unpersönlichen „Sie“ aus echten oder vermeintlichen Gebrauchsanleitungen: „Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen“ war vielleicht dem Versmaß geschuldet, hat jedoch gegenüber dem unpersönlichen „man“ zweifellos gepunktet in Sachen höflicher Anrede.

Ein Kommentar

  1. Man braucht man nicht wirklich im öffentlichen Sprachgebrauch. Im Englischen verwendet man ganz elegant den Plural, wie in “ They do something.“. Oder man vermeidet es von vornherein wie in „That just isn´t done!“. Mein Vorschlag wäre es, die englische Vermeidungstaktik zu importieren und anstatt, „Es braucht mehr Empathie!“, zu schreiben: „Sie müssen mehr Empathie zeigen!“.

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