Die furchtlosen Helden der Straße

Das defizitäre Ego vieler Fahrer verursacht die alltäglichen Autobahnunfälle des Berufsverkehrs

Fast kein Tag vergeht, an dem ich nicht auf der Heimfahrt mit dem Auto im Stau feststecke, weil wieder einmal ein Raser einen Crash verursacht hat. Bisweilen ist ein LKW umgefallen oder ausgebrannt, doch der regelhafte Stau kommt durch die Rücksichtslosen zustande, die offenbar hilflose Opfer ihres eigenen Hormonhaushalts sind. Und damit meine ich nicht die komplett Umnachteten,  die bei 120 Sachen versuchen, einen Flirt von Wagen zu Wagen anzufangen, sondern die Testosteron-Junkies, die ihre Aggression oder ihre Komplexe rauslassen, sobald sie sich hinter den Fahrzeugscheiben anonym fühlen (ein ganz ähnliches Phänomen schlechten Benehmens findet man ja aus gleichem Grund bei all den „Hass-Kommentaren“ im Internet – sobald der Mensch sich in anonymer Sicherheit wähnt, lässt er die Sau raus bzw. den Bleifuß runter).

Wie kommt es, daß im Berufsverkehr die Mehrzahl der Fahrzeuglenker nicht den vernünftigen Mindestabstand zu ihrem „Vordermann“ einhalten? (Halber Tacho, so sagte man früher als Faustregel für den Bremsweg.)

Die Aspekte: 1. Sie fühlen sich gezwungen, denn die Straßen sind immer zu kurz für alle Autos. Oder 2. Man will eben gern mal bei den anderen ins Wageninnere schauen, so aus Neugier – da ist Abstand nur schädlich. Oder 3. Sie markieren den todesmutigen Helden, der furchtlos ohne Not sein Leben riskiert (und das Leben anderer gleich mit). Oder 4. Sie glauben ernsthaft, sie kämen so schneller ans Ziel (während erwiesen ist, daß die notgedrungen vielen Bremsmanöver nicht nur sehr viel Zeitverlust bringen, sondern sogar geeignet sind, aus nichts einen Stau auszulösen.) Oder 5. Es handelt sich dabei um eine Art Herdentrieb. Man schwimmt in der Menge und fühlt sich wohl, so dicht an dicht. Eine Form der Schwarmintelligenz, äh, der Schwarmignoranz.

Also raus damit: Cui bono?

Erstes Gebot: Das Ego des komplexbeladenen Fahrers.  Noch wer?

Honi soit… zweites Gebot: Die Fahrzeughersteller und -werkstätten, die allenthalben Unfallfahrzeuge reparieren bzw. ersetzen dürfen. Aber die können nur indirekt auf das irre Fahrverhalten Einfluss nehmen (Werbefilmchen etc.).

Arbeitshypothese: Das rücksichtslose Auffahren ohne Mindestabstand (auf der Autobahn) dient der primitiven Befriedigung aggressiver Triebe oder der Kompensation mangelnden Selbstwertgefühls. Gegentest: Hat man schon einmal einen selbstsicheren, in sich ruhenden Menschen gefährlich dicht auffahren sehen?

Und, wer setzt nun einen Doktoranden darauf an?

Ein Kommentar

  1. Tollkühne Männer in schrottreifen Kisten: Ist das nicht die Klientel, die uns gerne so nah kommt, daß sie im Windschatten mitfahren kann?

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