Filterblasen ganz ohne Facebook: Plastik schlägt Papier, doch wen juckt das?

Woher kommt die Entschlossenheit, Fakten zu ignorieren, die uns nicht passen?

Einen beliebten Irrglauben nimmt Philipp Krohn in der FAZ aufs Korn: Die vermeintliche ökologische Überlegenheit der Papiertüte gegenüber dem Plastikbeutel. Zum wiederholten Male habe das Schweizer Materialforschungslabor EMPA bei der vergleichenden Ermittlung der Ökobilanzen festgestellt, dass die weithin als umweltschonend betrachteten Baumwoll- und Papiertaschen im Gegenteil die Umwelt viel stärker belasten als Plastiktüten. Am schlechtesten schneide der Baumwollbeutel ab, am besten eine Plastiktüte aus recyceltem Granulat. In seinem Artikel „Liebe Rewe-Tüte“ (FAZ vom 24.4.2018, S. T4) erläutert Krohn sehr vergnüglich die wahren Fakten zur Ökobilanz unterschiedlicher Transportverpackungen.

Woher kommt unsere Entschlossenheit, Fakten zu ignorieren, wenn sie nicht in unser Weltbild passen? Das gibt es ja nicht erst seit Facebooks Filterblasenwelten. Wenn wir uns ein gutes Gewissen kaufen wollen, weil wir ein paar Cent Aufpreis zahlen für eine vermeintlich naturnahe Verpackung, dann kann uns niemand diesen Plan mehr ausreden. Auch weil es so kontraintuitiv ist: Plastik und Umweltschutz passen halt nicht zusammen.

Wer heute „Plastik“ hört, muss sofort an die Vermüllung der Ozeane denken. Wieder so ein Thema, bei dem manche Aktivisten uns allen ein schlechtes Gewissen andienen wollen. Auch damit räumt Krohn in seinem Artikel auf: 80 Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen stammten aus fünf Staaten: China, Indien, Indonesien, Malaysia und Vietnam. Und die heimische Müllverbrennung belaste die Kohlendioxidbilanz nur minimal, zitiert er die Schweizer Materialforscher. Entscheidend sei die Herstellung, nicht die Entsorgung.

Es scheint hier zu sein wie bei vielen anderen Handlungsweisen, die gut fürs gute Gewissen sind: Die Fakten interessieren nicht, solange man selbst und die eigene Peer Group daran glauben mag, man tue das Richtige. Wir holen weiter den Biokäse mit dem SUV vom Ökohof ab, jetten nach dem Abi als touristische Projekthelfer um die halbe Welt, unterstützen blindlings zweifelhafte Charity-Organisationen mit Spenden, füttern Streunerkatzen rund und fett, auf dass sie sich weiter ungehemmt vermehren, und fühlen uns gut dabei, supergut. Gefühl schlägt Ratio, das bleibt die Konstante. Doch wäre es nicht Aufgabe der Medien, ich will lieber nicht vom „Bildungsauftrag“ reden, aber war da nicht mal das hehre Ziel, die Menschen durch sachliche Information klüger zu machen…?

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